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Portrait des Monats Dezember: Loretta Müller

Loretta Müller: Ex-GB-Schülerin, Fussballerin, Grossrätin BS, Privatdozentin und Forschungsgruppenleiterin an der Kinderklinik in Bern

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PD Loretta Müller. Inselspital Bern - Foto: Matthias Lüscher

Loretta Müller, du bist als Vertreterin des Grünen Bündnisses im Grossen Rat gesessen. Welche Themen/Ereignisse haben dich politisiert?

Das war eher ein schleichender Prozess, da Politik bei uns in der Familie immer ein Thema war. Rückblickend würde ich aber sagen, dass Umweltschutz (ich habe ja dann auch Umweltnaturwissenschaften studiert) und Gleichstellung wichtige Antriebe waren. Das eine (Umwelt), weil es essentiell für unsere Zukunft ist, das andere (Gleichstellung), weil es einfach so wahnsinnig unfair ist….

Ist für dich das Thema Politik abgeschlossen?

Jein. Für den Moment schon, ja. Wir haben zwei kleine Kinder (bald 4 und 2 Jahre alt), die viel Ressourcen benötigen. Zudem habe ich schon bei der Arbeit das Gefühl, zu nichts zu kommen, und setze mich lieber abends ab und zu nochmals hin, um etwas zu arbeiten, als mich noch in einem anderen Gebiet zu engagieren. Aber, und daher das «Jein» und kein «Nein», langsam würde es mich schon reizen, wieder etwas politisch aktiv zu werden. Das muss aber noch etwas warten, bis die Kinder grösser sind und ich wieder etwas mehr Freiheiten habe. Also alles zu seiner Zeit.

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Eidg. Parlamentarier-Fussballturnier 2007: Links-rechts-Duell: Loretta Müller vom SC Grossrat BS gegen Thomas Schulte vom FC Landrat BL 1

Welche Rolle hat die Politik in deiner Schulzeit gespielt?

Ehrlicherweise keine sehr grosse. Ich kann mich noch an unser Entsetzen über die Bombardierung von Ex-Jugoslawien erinnern. Und an Themen wie Abholzung und Ähnliches, die Fred Reinhard in der Geographie und Biologie eingebracht hatte. Aber mehr habe ich nicht bewusst wahrgenommen.

Was ist dir spontan in Erinnerung geblieben aus deiner GB-Zeit?

Die Hanfkuchengeschichte, eine etwas schwierige Klassenzusammenlegung, Beachvolleyballspielen im Maturturnen, das Schachbrett, uff, es kommt mir so viel Positives in den Sinn…

Inwiefern waren die naturwissenschaftlichen Fächer am GB wichtig für dein späteres berufliches Wirken?

Ich glaube, die waren sehr wichtig. Christian Griss hat mich zum Beispiel sehr ermuntert, meine Abschlussarbeit in Biologie bei Schweizer Jugend forscht einzureichen. Das hat dann zu meinem ersten Forschungspreis und einer Teilnahme an einer Summer Science School geführt. Das war also so etwas wie der Startschuss für meine Forscherlaufbahn.

Was hast du aus den übrigen Fächern als bedeutsam «mitgenommen»

Die Sprachen brauche ich heute regelmässig. Englisch ist meine berufliche Hauptsprache und um das Französisch präsent zu behalten, versuche ich an zwei Tagen pro Woche mit einer Arbeitskollegin französisch zu sprechen…

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Berner Umwelt-Forschungspreis 2011/12. Foto: Manu Friederich, © Universität Bern

Wie hat dein beruflicher Werdegang ausgesehen?

Nach dem Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich habe ich auf dem Gebiet der «Toxizität von Scooterabgasen» dissertiert. Nachher war ich für ein Postdoc während zwei Jahren in den USA, wo ich mich mit den Auswirkungen von Luftschadstoffen und viralen Infekten auf unsere Lungen beschäftigt habe. Nach meiner Rückkehr habe ich fünf Jahre lang am UKBB in Basel die Effekte von Luftschadstoffen oder Benzinpartikelfiltern auf unsere Lungen erforscht. Nun bin ich seit knapp zwei Jahren in Bern und versuche die Krankheit «primäre ziliäre Dyskinesie» (PCD) - eine genetische Erkrankung, bei der die Flimmerhärchen in den Luftwegen nicht richtig schlagen und daher den Schleim inkl. Pathogene nicht hinaus transportieren können - besser zu verstehen. Ja, und im September dieses Jahres habe ich meine Habilitation gemacht und darf mich nun PD nennen.

Bei Jugendlichen werden Roller immer beliebter. In deiner Dissertation hast du dich damit beschäftigt: Was ist dabei herausgekommen?

Dass nicht alle Scooter grundsätzlich schlecht sind, aber die 2-Takter richtige Dreckschleudern sind. Und dass es auch bei Scootern technische Möglichkeiten gibt, mit Abgasnachbehandlungen oder besserem Schmieröl, die Emissionen zu reduzieren. Wir müssen nur wollen.

Was genau machst du beruflich?

Ich bin Forschungsgruppenleiterin an der Kinderklinik in Bern. Zudem bin ich zuständig für die Diagnostik von PCD. Wir haben das schweizweit erste und bisher einzige umfassende PCD Diagnostikzentrum aufgebaut und dieses leite ich. Ich finde das sehr spannend, denn erstens bin ich so näher bei den Patient*innen und zweitens wird die PCD Diagnostik laufend weiterentwickelt und verbessert. Zudem finde ich die Kombination von Diagnostik und Forschung sehr spannend. 

Wie verläuft bei dir ein langweiliger, wie ein interessanter Arbeitstag?

Das ist eine sehr gute Frage. Bei langweilig dachte ich als erstes an einen Tag ohne Termine, weder als Sitzung noch im Labor, an dem ich mich einfach der Auswertung von Daten, dem Schreiben einer Publikation oder von PCD Diagnostikberichten widmen kann. Das mag zwar langweilig klingen, aber ich liebe solche Tage, weil ich da so richtig gut vorankomme und die To-do-Liste kürzer und nicht länger wird… Das Gegenteil sind Tage, an denen wir bis zu vier Proben von Patient*innen bekommen. Da pendle ich zwischen Kinderklinik und Laborgebäude hin und her, denn ich mache die Brushings zur Entnahme der Nasenzellen bei den Patient*innen meistens selber. Dann muss das Brushing im Labor verarbeitet und mittels Hochgeschwindigkeits-Videomikroskopie analysiert werden. Gleichzeitig läuft dann sicher auch noch ein Experiment und der Doktorand hat auch noch viele Fragen. Zum Glück habe ich eine Laborantin, die mir hilft, denn alleine könnte ich das alles nicht machen. 

Vor allem in den Naturwissenschaften gibt es oft eine Gratwanderung zwischen der Unabhängigkeit der Forschung und deren Sponsoring durch die Industrie. Wie siehst du dies? 

Ich habe mich in meiner täglichen Arbeit noch nie eingeschränkt oder so gefühlt. Ich bin aber der Meinung, dass durch solches Sponsoring sehr wohl Einfluss genommen wird, aber mehr auf der thematischen Ebene. Wird beispielsweise eine Professur fürs Stillen (oder so…) finanziert, wird dem/r Professor*In wohl nicht vorgeschrieben, was er/sie publizieren darf, aber es ist klar, dass das Vorschreiben des Themas einen Einfluss auf die Forschungsarbeiten hat. 

Wie sieht es in den naturwissenschaftlichen Berufen mit dem Frauenanteil aus?

Auf der Stufe der Doktorierenden und Postdocs ist es in den Life Sciences eigentlich recht ausgeglichen, aber auf den höheren Ebenen nicht. Ich bin der Meinung, dass die Gründe ähnlich sind wie in der Industrie oder Politik: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist zu wenig gegeben, Frauen müssen für die gleiche Anerkennung mehr leisten. Zudem sehe ich aber auch immer wieder (auch bei mir selber), dass Frauen oft auch einfach nicht bereit sind, egoistisch nur auf ihre Karriere zu schauen, sondern dass mehr auf die Partnerschaft und Familie Rücksicht genommen wird.

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FC Basel Frauen NLA, 2009, Quelle: gallery.fcb.ch

Du hast auch sehr erfolgreich Fussball gespielt. Wie kam es dazu, dass du als Mitglied des FC Concordia plötzlich beim FC Basel gespielt hast?

Nachdem ich mit dem FC Concordia Basel von der 2.Liga bis in die Nationalliga A aufgestiegen bin, hat der FCB plötzlich auch gemerkt, dass Frauenfussball Potential hat. Sie haben daher das gesamte erste Team und die U19 von Concordia Basel übernommen. So bin ich doch noch zum Kicken im FCB-Dress gekommen. Nachdem ich als Kind schon mit meinem Bruder beim FCB Fussball spielen wollte, ich aber mit dem Hinweis «Wir nehmen keine Mädchen» nach Hause geschickt wurde, bin ich so gegen Ende meiner Fussballkarriere trotzdem noch beim FCB gelandet.

Eine etwas spekulative Frage: Wie hättest du wohl reagiert auf das berüchtigte «Lösliverkaufen» durch die Frauenmannschaft an der 125 Jahr-Jubiläum des FCB?

Ich habe mich das selbst auch schon gefragt. Und ich muss zugeben, dass ich wohl auch einfach «schön mitgemacht» hätte. Wir waren uns ja nichts Anderes gewohnt, als dass wir viel mehr Einsatz bringen müssen als die Männer. Ich habe während der ganzen Fussballzeit bei Concordia immer wieder im Catering mitgearbeitet und wir haben unser eigenes Tippspiel organisiert, damit das meist selbstfinanzierte Trainingslager nicht so teuer wird. Da wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen, dass wir für einmal auf der gleichen Stufe wie das Männerteam sein könnten….

Die Fragen stellte Ewald Magerl.

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