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Latein und Rechtswissenschaft

Mit dem Latein steht ein Fundus an Begriffen zur Verfügung, der das Verständnis und die Aneignung der Nomenklatur verschiedener universitärer Disziplinen erleichtert. Das gilt besonders für die Jurisprudenz.

Die Beschäftigung mit dem römischen Recht, das uns in der von Kaiser Justinian (6. Jh. n. Chr.) veranlassten Sammlung von Gesetzen, Kommentaren und wissenschaftlichen Darlegungen (Corpus iuris civilis) vorliegt, ist noch heute verbindlicher Bestandteil des Rechtsstudiums.

 

Bild Legende:
Justinian
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Justinian

In engem Zusammenhang damit steht der schon seit der Spätantike anerkannte Bildungswert des römischen Rechts. Es geniesst im Rechtsunterricht als Bildungsmittel ein ähnliches Ansehen wie die lateinische Sprache für alle geistigen Gebiete. Die Streitformeln des römischen Zivilprozesses und die Rechtsfälle der so genannten Klassiker (Juristen des 2. nachchristlichen Jahrhunderts), die einen komplizierten Tatbestand in äusserster Klarheit und Kürze darlegen, den Fall entscheiden und die Entscheidung begründen, sind durch ihre Schärfe der Gedanken und ihre Genauigkeit des Ausdrucks besonders geeignet, die Scheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen und die klare Formulierung der Gedanken zu schulen.

Die Begabung der Römer für die Verwendung logischer und praktischer Begriffe offenbart sich in ihrem Recht wie in ihrer Sprache. Hauptgrund aber dafür, das römische Recht auch heute noch als unverzichtbaren Anteil des Rechtsstudiums zu betrachten, ist die Tatsache, dass es eine immer noch lebhaft fortwirkende Quelle unseres heutigen Rechts ist, das nur aus seinen geschichtlichen Grundlagen voll zu begreifen ist.

Parömien


nihil commune habet proprietas cum possessione. (Ulpian)

Kurzkommentar:
Der römische Jurist unterscheidet zwischen Besitz als Faktum und Eigentum als rechtliche Zuordnung.


in pari turpitudine melior est causa possidentis.

Kurzkommentar:
Wenn zwei Personen im Unrecht sind, hat der Besitzer der Sache die stärkere Position.
Dieser Satz der römischen Juristen hat im OR § 66 Eingang gefunden.


prior tempore, potior iure.

Kurzkommentar:
Wenn zwei z. B. bei einer Eigentumsübertragung dasselbe Recht haben, dann hat der das stärkere Recht, der zeitlich früher ist.


scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem. (Celsus)

Kurzkommentar:
Der römische Jurist soll die Gesetze teleologisch nach Sinn und Zweck, nicht nach der Grammatik auslegen.


iura constant ex legibus, plebiscitis, senatus consultis, constitutionibus principum, edictis, responsis prudentium. (Gaius)

Kurzkommentar:
Der römische Jurist gibt eine abschliessende Aufzählung, aus was das Recht besteht. 


PROMISSUM LICENTIATI

Ego, N.N. cum iuris licentiati honores ab iurisconsultorum Basiliensium ordine accipio, me quaecumque officia in exercenda iurisprudentia mandata erunt, ut boni aequique auctorem decet, cum fide semper et cum diligentia praestiturum esse spondeo.

spondeo.

Übersetzung:

Ich, N.N. verspreche, wenn ich jetzt von der Juristischen Fakultät der Universität Basel den Grad eines Lizentiaten des Rechts verliehen erhalte, alle Aufgaben, die mir zukünftig in der Anwendung des Rechts übertragen werden, so zu erfüllen, wie es jemandem geziemt, der für das Gute und Gerechte eintritt, und dabei stets gewissenhaft und sorgfältig zu sein.

 

PROMISSUM DOCTORIS IURIS

Ego, N.N. promitto et spondeo me post impetratos ab illustri iurisconsultorum Basiliensium collegio summos in iure honores per omnia boni viri officia, in legibus potissimum interpretandis, de iure respondendo, profitendo, agendo, defendendo, iudicando functurum, uti id iuris, aequitatis iustitiaeque consultum facere oportet et fas est. Praeterea promitto, me ordinis iuris consultorum Basiliensium commoda et dignitatem comiter conservaturum. Ita velle me, quae praedicta sunt facere omnia neque scienter fallere, promitto et spondeo.

promitto et spondeo.

Übersetzung:

Ich, N.N. verspreche und gelobe, wenn ich jetzt von der Juristischen Fakultät der Universität Basel den Ehrentitel eines Doktors des Rechts verliehen erhalte, alle meine künftigen Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, bei der Auslegung des Gesetzes, bei Rechtsgutachten, beim Klagen, Verteidigen und Urteilen so zu handeln, wie es sich für jemanden geziemt, der dem Recht, der Billigkeit und der Gerechtigkeit verpflichtet ist, und wie es göttlichem Recht entspricht. Ich verspreche ausserdem, stets das Ansehen der Fakultät zu wahren. Nach diesen Regeln zu handeln und sie niemals wissentlich zu verletzen, ist der Inhalt des Gelöbnisses, das ich hiermit ablege.